Edel, herzhaft, gesund

Sessenheim ist schon lange angesagt. Goethe kam zum poussieren, der Rest der Menschheit für den Flammkuchen. Unser Ziel ist die Wirtschaft la croix d’or …

Ein guter Service weiß, was seine Gäste wünschen. „Welle ihr noch ä bissl waarte, oder soll ich euch einer bringe?“ Mit einer ist ein Flammkuchen gemeint. In der Sessenheimer Wirtschaft La Croix d’Or (Goldenes Kreuz) kommt man gleich zur Sache. Hier ist Flammkuchen so groß wie in Paris der Eiffelturm. Schon seit 1770 gibt es die Beiz, das ist übrigens das Jahr, als Goethe im Dorf war, um mit Pfarrerstochter Friederike Brion anzubändeln. Aus der Liebe wurde nichts, dafür gibt es die „Sesenheimer Lieder“.

Seit 1974 am Backen

Ob es damals schon die herzhaften Flammkuchen gab? Möglich, aber Goethe hat nichts darüber geschrieben. Da im Goldenen Kreuz die Tarte flambée so angesagt ist, gibt es gleich zwei Serviceanlaufstellen für die Gäste. Eine Kellnerin ist für Flammkuchen und Pizza da, die andere nimmt die Bestellungen für Schnecken, Rossbiff, Schnitzel. Der Service läuft emsig und freundlich. 

Die Tarte und die Pizzen kommen à la minute aus dem Ofen von Maître Norbert Heinz, seit 1974 auf dem Posten. Die Teige macht er frisch  und falls Bedarf an spiritueller Nahrung besteht: Sonntags spielt er die Kirchenorgel. 

Wir starten mit einem klassischen Flammkuchen, also nur Rahm, Zwiebeln, Speck – kein Käse. Wenn dieser mundet, dann auch die anderen. Er schmeckt herrlich, der dünne Boden ist knusprig, der Rand ist nur ganz außen etwas zu dunkel, der Speck schön salzig und der Rahm flüssiger als sonst üblich. Ist hier noch etwas Sahne im Spiel? Gut möglich. Der zweite – jetzt gratiniert – schmeckt fülliger und mindestens genauso gut. Wir wissen: Fett ist Geschmacksträger. Und je fettiger, desto … Dazu trinken wir einen offenen Edelzwicker, oder „Edel“, wie die  Elsässer zu dieser Weißweincuvée sagen. Danach einen schönen Auxerrois.  Zum Wein: Die gut bestückte Weinkarte bietet preiswerte offene und Flaschenweine aus Cleebourg sowie Bordeaux und anderen französischen Regionen.  

Innerhalb von fünf Minuten haben wir die Flammkuchen weggeputzt. Und wenn wir schon mal im gelobten Land der Fresserei sind, probieren wir auch die Froschschenkel, die wir als „durchtrainiert“ beschreiben würden. Wir haben sie tatsächlich schon mal zarter gegessen. Dafür ist das helle Sößchen mit Petersilie, Dill und Kerbel so fein, dass es auch einfach so mit Brot weggefuttert wird. Kalorienbombe.

Elsässer Sound

Zwischen den Gängen haben wir etwas Zeit fürs Kiebitzen. Um 19 Uhr waren nur ein paar Tische besetzt, aber jetzt sind so gut wie alle belegt. Elsässisch und Französisch wird munter durcheinander geschnattert. So einen Sound hört man nur hier. Zur Ausstattung: Die Wirtschaft hat immer noch einen alten Holzboden, die Wand ist fast bis Brusthöhe mit Holz vertäfelt. Die fast modernen Bilder passen nicht so ganz. Warum nicht alte Drucke aus alten Tagen? 

Genug abgeschweift, wir teilen uns noch ein Entrecôte mit Fritten, Linsen und gedünsteten Karotten. Das Fleisch ist gut, nur Salz fehlt. So können wir das aber nicht stehen lassen und einigen uns auf eine weitere Tour ins Reich von heiß und fettig (es gibt auch halbe Tarte flambée). Der Flammkuchen à la forestière (Försterin Art) schmeckt schön nach Pilzen. Zum Abschluss wird noch einer mit Äpfeln, Zimt und Calvados schnabuliert. Die Tarte wird à table flambiert. Wir warten, bis die Flammen ausgehen, und verlieren uns in den zuckrigen, zimtigen und alkoholischen Aromen. Und die saftigen Äpfel erst! Ein fast schon gesunder Flammkuchen! 

Um das Völlegefühl zu dämpfen, könnten wir es wie die Elsässer machen und Tee trinken. Das hilft gegen den drohenden Kreislaufkollaps. Aber wir sind satt und glücklich. Uns fehlt nichts. Darum: Bis zum nächsten Mal. Und dann nur Flammkuchen!

4,0 von 5 Zapfen für la croix d’or

Wie es unserem Autor und Restauranttester Pascal Cames geschmeckt hat? So sieht seine Bewertung im Detail aus:

Geschmack

Wie hat das Essen geschmeckt?

Preiswürdigkeit

Wie ist das Preis-Leistungs-Verhältnis?

Speisekarte

Wie ist die Auswahl der Speisen?

Getränkekarte

Wie ist die Auswahl der Getränke?

Innovationsgrad

Gab es Neues oder Überraschendes?

Ökologie

Wie viel Wert wird auf Nachhaltigkeit gelegt?

Besonderheit

Wie einzigartig ist das Essen und/oder die Location?

Ambiente & Aufenthaltsqualität

Sitzkomfort, Stimmung, Licht, Dekoration, Sauberkeit, Toiletten?

Service

Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft?

la croix d’or

Telefon: 0033 3 88 86 97 32

Anfahrt: 1 Rue Goethe, Sessenheim 

Geöffnet: Do–Sa abends

#heimat Schwarzwald Ausgabe 38 (3/2023)

Freut Euch in dieser #heimat auf Erdbeer-Rezepte, Schwarzwälder Van-Life, eine Boots-Tour im Elsass, ein spannendes Interview mit Frank Elstner und unser Heimatwald-Projekt – zusammen mit weiteren spannenden Menschen und ihren Geschichten. Was hat es zum Beispiel mit dem Schneekönig auf sich – im Mai? Und wer steckt hinter dem Titel Badens Winzer des Jahres? Lest selbst!

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