Microcamping im Test: So geht legales Wildcamping

Wohnmobile und Campervans boomen – und mit ihnen Microcamping auf naturnahen Plätzen. Ein Roadtrip zu außergewöhnlichen Spots

Text: Jana Zahner · Fotos: Dimitri Dell Fotos: Jasmin Fehninger

Bitte, bitte, jetzt nur keinen Gegenverkehr! Ein kleines Stoßgebet zwischendurch kann beim Caravaning auf den schmalen Sträßchen irgendwo zwischen Simonswald und Schonach nie schaden. Mein Mann und ich schrauben uns mit unserem Camper Van immer weiter den Buckel hoch und hoffen, dass das Navi uns nicht bald offroad über einen Feldweg leitet. Wobei uns dort wenigstens keine LKWs entgegenkommen können. Trotz leichter Anspannung: Der Ausblick ist traumhaft! An der breiten Fensterfront unseres rollenden Zuhauses ziehen der blaue Himmel, dunkle Gipfel und blühende Wiesen vorbei. Ein Holzschild weist uns den Weg. Noch ein paar hundert Meter durch den Wald, dann haben wir unseren Stellplatz für die kommende Nacht erreicht – auf 900 Metern Höhe, einsam gelegen an einem von Quellen gespeisten Badeteich. Eine weitere Station auf unserem dreitägigen Roadtrip, bei dem wir einige der schönsten Microcamping-Spots des Schwarzwalds ansteuern ...

Microcamping? Bei diesem Trend geht es um das naturnahe – und erlaubte – Übernachten gegen Gebühr auf Privatgrundstücken mit dem Wohnmobil oder Zelt. Der Trend ist eine indirekte Folge der Corona-Pandemie, die der Wohnmobilbranche einen Boom bescherte. Aktuell sind laut Caravaning Industrie Verband 1,6 Millionen in Deutschland zugelassene Freizeitfahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs. Nur: Wo sollen die alle hin? Wer es in der Hauptsaison vor dem Trip verbummelt, seinen Platz auf dem Campingplatz zu reservieren, und dann auf einem LKW-Parkplatz strandet, macht sich unbeliebt – und Urlaubsstimmung kommt dort auch nicht wirklich auf. 
Microcampingplätze sollen dringend benötigte Übernachtungskapazitäten für Camper schaffen und eine legale Alternative zum Wildcampen bieten. 2022 machte es der Landkreis Waldshut als Pilotregion vor und ging mit seinen „One-Night-Camps“ bei Landwirten, Privatleuten und Gemeinden an den Start. Gemeinsam mit der Plattform Nomady (ehemals My Cabin) und der Schwarzwald Tourismus GmbH erstellten die Waldshuter einen Leitfaden für andere an dem Konzept interessierte Kommunen. Das Ziel: Ein schwarzwaldweites Netz an naturnahen Plätzen für Übernachtungen im Wohnmobil oder Zelt zu schaffen. Mittlerweile hat man nicht nur bei Nomady, sondern auch bei weiteren Plattformen wie Alpaca Camping oder Camperland die Auswahl zwischen zahlreichen Stellplätzen in Süd-, Mittel- und Nordbaden.

Die Vielfalt der Spots bedient so ziemlich jede Vorliebe: Darf es ein Schlafplatz mit Panoramablick, mit nichts als Ziegen und Schafen als Nachbarn oder doch lieber mit einem Spielplatz und Grillstelle daneben sein? Gerade für Winzer und Landwirte, die über jede Menge Platz auf Wiesen, im Wald und neben ihren Anbauflächen verfügen, ist das Modell ein attraktiver Nebenverdienst.

Einen Microcampingplatz anzubieten, ist hierzulande nämlich vergleichsweise unkompliziert. In Baden-Württemberg wurde die entsprechende Verordnung von 1984 vergangenen Sommer gelockert. Aktuell gilt erst eine Anlage ab sechs Stellplätzen als Campingplatz – mit den entsprechenden Auflagen. Eine Infrastruktur wie Wasser, Strom und sanitäre Anlagen ist für Microcampingplätze kein Muss – viele bieten einfach nur Ruhe auf einem einsamen Flecken im Grünen. Caravaning für Fortgeschrittene also.

Übrigens: Wir beide, mein Mann und ich, waren noch nie mit einem Wohnmobil in der Weltgeschichte unterwegs. Beste Voraussetzungen also, um Microcamping selbst einmal auszuprobieren! Die Jungfernfahrt mit dem gemieteten Camper Van führt uns von Offenburg ins Markgräflerland. Wir parken hoch über dem Weinort Schliengen in den Reben, auf einem der drei einsam gelegenen Stellplätze des Weinguts Sommerhalter. Als wir die Markise ausfahren und die Campingstühle ausklappen, sind drei Rehe, die durch den Weinberg flitzen, unsere einzige Gesellschaft. Mit Aussicht bis nach Frankreich machen wir es uns mit Käse und einer Flasche Gutedel, der hier  rund 30 Prozent der Anbaufläche ausmacht, zwischen den Reben gemütlich.

Die wichtigste Erkenntnis des ersten Tages: Microcamping eignet sich perfekt für Weinproben! Die Frage, wer abends heimfährt, können wir uns mit dem bereits für die Nacht geparkten Van sparen.

Apropos Fragen: Dass wir nicht völlig ahnungslos in unseren ersten Caravaning-Trip gestartet sind, ist Christian Stahl zu verdanken, bei dessen Autohaus Stahl in Schutterwald wir unseren bereits voll ausgestatteten Camper Van gemietet haben. Vor dem Start hat er uns eine ausführliche Einweisung in das knapp unter sechs Meter lange Fahrzeug mit Doppelbett, Küche und kleinem Badezimmer gegeben. Und das ist gerade beim Microcamping wichtig: Anders als auf den klassischen Campingplätzen kann der blutige Anfänger hier nicht mal eben den Hans-Dieter vom Stellplatz nebenan um Rat fragen, der schon 1970 mit dem Wohnmobil Kroatien erkundet hat ...

Hat alles Vor- und Nachteile! Trotz kleiner Pannen – spätestens nach dem Duschen am nächsten Morgen wird klar, warum ein Camper Van immer topfeben  oder auf Auffahrkeilen stehen sollte – die Freiheit, aufzuwachen und nichts als Vogelgezwitscher und Grün um sich zu haben, hat schon etwas! Und nach der Feuerprobe in Sachen legales Wildcamping ohne Anschlüsse muss ich Christian Stahl recht geben: Mit gefülltem Wassertank, Gasflasche, Batterie und Powerstation ist das autarke Stehen für zwei Tage wirklich gut machbar. Bei Bedarf kann man auch einfach zwischendrin einen der klassischen Campingplätze ansteuern und dort gegen eine Gebühr seinen Abwasserbehälter leeren und noch andere Dinge loswerden ...

Microcamping führt einen an Orte im Schwarzwald, an die man sich sonst wahrscheinlich nie verirrt hätte – der abgelegene Holzbauernhof der Familie Finkbeiner oberhalb von Schonach ist so ein Geheimtipp. 2022 hat hier die nächste Generation übernommen, den Hof renoviert und ein paar hundert Meter weiter in ihrem Wald an einem Badeteich in 1000 Metern Höhe eine Handvoll Stellplätze eingerichtet. Holz für das Lagerfeuer gibt’s vom Hof, das Wasser zum Tankauffüllen schöpft man direkt aus einer Quelle und nachts lullt dezentes Krötenquaken die Camper in den Schlaf.

Nadja Finkbeiner und ihr Mann Stefan haben sich bei der Übernahme des Holzbauernhofs im Nebenerwerb übrigens ganz bewusst gegen Ferienwohnungen entschieden — zu hohe Investitionen, zu viel Arbeit. Zumal ihre urtümlichen Yaks, tibetanische Rinder, die rund um den Hof grasen, ein bisschen unruhig auf Fremde reagieren. Mit ihren pflegeleichten Campern etwas weiter droben im Wald ist Nadja Finkbeiner sehr glücklich: „Die meisten sind einfach zufrieden damit, in der Natur zu sein, genießen die Ruhe und nehmen ihren Müll wieder mit.“ Den Platz sauber zu verlassen, ist oberstes Microcamping-Gebot.

Wer durch die Buchungsportale für Microcampingplätze stöbert, findet in den Beschreibungstexten der einzelnen Spots ganz unterschiedliche Modelle: vom anonymen Self-Check-in auf der einsamen Wiese bis hin zu Vermietern, die ihre Camper aufnehmen wie Hausgäste. Falls mal unklar ist, wie viel Nähe okay ist, ob der Hund mit darf, grillen erlaubt ist und welche Regeln sonst auf den Stellplätzen gelten: einfach miteinander schwätze!

Wer beim Campen voll am Landleben teilhaben will, der ist auf dem Fiegenhof in Oberkirch-Ödsbach richtig. Ganz, ganz am Ende der kurvigen Wäldenstraße öffnet sich das Tal, wo an einem steilen Hang zwischen Obstbäumen und Kuhweiden in Alleinlage der Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Familie Wußler liegt. 100, 200 Meter oberhalb davon am Waldrand liegen die beiden Stellplätze.  Strom, Wasser, Toilette, Kinderspielplatz und Vesperstube gibt es auf dem Hof. Katharina Wußler hat Freude daran, Stadtmenschen zu zeigen, wie sie und ihr Mann Bernhard den Hof auf traditionelle Weise bewirtschaften und Lebensmittel produzieren. Die junge Bäuerin sucht den Austausch: „Unsere Gäste wollen etwas von uns wissen und wir auch von ihnen.“ Milch, Brot, Eier, Marmelade und Wurst für das Camperfrühstück kann man bei ihr im Hofladen kaufen.

Hier in der Ortenau auf keinen Fall zu vergessen: die Brände und Liköre! Für Caravaning-Anfänger, denen die Anfahrt durch nicht enden wollende Seitentäler mit schmalen Sträßchen den Schweiß auf die Stirn treibt, gibt es auf dem Fiegenhof erst einmal ein Willkommensgläschen zur Beruhigung ...

#heimat Schwarzwald Ausgabe 44 (3/2024)

Endlich ist draußen alles grün und das feiern wir in der neuen Ausgabe – mit neu interpretierten Spargelgerichten, knallroten Erdbeeren und den besten Rezepten für einen echten italienischen Aperitivo auf dem Balkon. Jetzt, wo die Urlaubssaison langsam losgeht, findet ihr bei uns jede Menge Ideen für Ausflüge und Abenteuer im Schwarzwald: vom Microcamping mit dem Camper Van auf außergewöhnlichen Spots über Fußballgolf bis hin zu Freilichtmuseen. Natürlich haben wir auch wieder spannende Persönlichkeiten aus der #heimat wie Zoodirektor Matthias Reinschmidt, den Offenburger Künstler Stefan Strumbel oder Europa-Park Sommelier Vincenzo De Biase für euch getroffen und ausgefragt.

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