Knapp acht Prozent Alkohol hat er jetzt, die zweite Gärung in der Flasche sorgt für eine tolle Perlage mit feiner Kohlensäure, wie man es aus der Champagne kennt – aber ohne Degorgation. Man kann der auf dem Flaschenboden dösenden Hefe also noch zu ihrem Werk gratulieren. Denn dieser Cider von der Schweizer Wasserbirne offenbart auf der Zunge beeindruckend filigrane Fruchtnoten! Nicht nur Birne, sondern eben auch Zitrusfrucht, Grapefruit, ein bisschen Pfirsich und Kräuter. Frisch, herb, gut eingefasst von einem feinen Tannin-Gerüst. Wow! Das hätten sich unsere Vorfahren nicht träumen lassen, dass man aus Mostobst so etwas Feines keltern kann!
Die Cider-Community: eine große Familie
Denn genau das ist es, was Patrick und Wendy verarbeiten. Obst von uralten Bäumen rund um Unterkirnach. Schweizer Wasserbirne, Mostbirne, Danziger Kantäpfel. Alte Sorten, die mit dem zuckersüßen Hochleistungsobst von heute nicht viel gemein haben. „We don’t know exactly bei jedem Baum, was es ist, aber wie die Früchte schmecken“, sagt Wendy.
6000 Kilogramm Äpfel wurden vergangenen Herbst geerntet. Alles von Hand. Und nicht einfach mit Traktor und Schüttler am Baum, sondern nach alter Väter Sitte: alle zwei, drei Tage hin zur Wiese. Den perfekten Reifegrad abpassen, die Früchte aufsammeln, verlesen und dann sortenrein abpressen, um später assemblieren zu können. 2018 war das noch ein Hobby, das sie aus Seattle mitgebracht haben. 2019 haben Wendy und Patrick dann professionelle Kellertechnik angeschafft und eine Halle gemietet, um noch bessere Cider machen zu können. Dass die Craft-Cider-Szene in Deutschland ungleich kleiner ist als in den USA – nicht schlimm. „Wir gehen alle sehr kollegial miteinander um. Man hilft sich, tauscht sich aus“, sagt Patrick.
Als experimentierfreudige Aromentüftler haben Patrick und Wendy mit ihrer Cider-Manufaktur 1785 (nach dem Baujahr des Elternhauses) trotz geringer Erntemengen ganz schön viele Sorten im Angebot. Den Cobalt Lake Perry, ein Perry Cuvée und sechs Sorten Apfel-Cider. Ein knackig trockener mit intensiven Aromen von grünem Apfel und sieben Gramm Restsäure auf den Liter ist darunter. Noch spannender ist vielleicht der kaltgehopfte Cider mit der Farbe eines feinen Muskatellers, bei dem die Liebe der beiden zu amerikanischem IPA Craft Beer unverkennbar ist. Großartig, wie der Centennial-Hopfen die Frucht umfängt und fein zu einem komplexen Geschmacksbild ausgestaltet. Superlecker! Einfach stark, was man aus Äpfeln alles machen kann!
„Cider is an Adventure, ein Abenteuer“, sagt Wendy. „Wie genau der Geschmack in den Cider kommt, kann dir keiner sagen!“ Jeder Boden, jeder Apfel ist anders. Das Wetter spielt eine große Rolle, kein Jahr ist wie das andere. „Bei der Weinherstellung weiß man heute sehr viel. Beim Apfel dagegen geht es um Grundlagenarbeit, um das Wiederentdecken von altem Wissen und die Erforschung unbekannter Zusammenhänge“, sagt Patrick, der passend dazu eines seiner alten Microsoft-Shirts trägt. Werbung für den Internet Explorer. Den Forscher. Wie passend …