Ape-Treffen: Dolce Vita in Neuried

Wenn gut hundert knallbunte Dreiräder über die Ortenauer Landstraßen rattern, ist wieder Ape-Treffen in Neuried. So läufts ab!

Text: Sophie Radix · Fotos: Michael Bode

Ein Orchester aus Luftrüsseln und Fanfaren ertönt an diesem lauen Frühlingstag im Mai in Neuried-Altenheim im Ortenaukreis. Wer bei dem Getröte nun an eine Hochzeit, eine Horde Fußballfans oder gar Elefanten denkt, der irrt. Zunächst ist eine Staubwolke zu sehen. Dann zuckelt ein kleines, knallrotes und hupendes Dreirad über die Landstraße. Es zieht eine lange Parade aus bunten Fahrzeugen mit drei Rädern hinter sich her, geschmückt mit allen möglichen Farben und Aufklebern: Auch in diesem Jahr pilgern Fans der kultigen Kleintransporter zu den Ape-Freunden Ortenau. „Zum Ape-Treffen in Altenheim kommen Apeisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“, erzählt Organisator Torsten Briese. Aber was genau macht Apes eigentlich so besonders? Und wer sind die Menschen, die sich für die Dreiräder so sehr begeistern, dass sie damit hunderte von Kilometern im Tuckertempo zurücklegen?

Ursprünglich wurde die Ape in Italien entwickelt, genauer: in Pontedera in der Toskana. Wie ihre kleine Schwester – die Vespa – kommen Apes aus dem Hause Piaggio. Inspiriert wurde der Piaggio-Ingenieur dabei von den englischen Welbikes: Zweiräder, welche die Briten im Krieg mit einem Fallschirm abwarfen. Die italienischen Nachfolger davon sollten ähnlich kompakt sein. Der Hintergrund: Italiens Autoindustrie war während des Krieges nahezu vollständig zerstört worden. Die erste Vespa – Paperino, die italienische Bezeichnung für Donald Duck – sollte den Italienern auch ihre Mobilität wiedergeben. Ein Zweirad war ideal geeignet, um die oft engen und verwinkelten Gassen zu bewältigen. Und zwar mit Leichtigkeit. „Vespa bedeutet Wespe, Ape ist das italienische Wort für Biene“, erklärt Torsten Briese. Und die motorisierten Arbeitsbienen werden auch heute noch produziert, mittlerweile auch mit Elektro-Antrieb.

Der mediterrane Ursprung und alles, was dazugehört, ist für die meisten Apeisten Teil ihrer Lebenseinstellung: „Wir haben viele Fans des Dolce Vita hier, die gerne urlauben, genießen und entschleunigen. Denen geht es darum, auch die Anreise entspannt zu gestalten“, sagt der Mitorganisator des Ape-Treffens.  So sind viele der Teilnehmer quasi Bienen auf der Durchreise: „Die nutzen das Treffen hier als Zwischenstopp auf der ersten Frühjahrsreise.“

Die Veranstaltung fand 2013 zum ersten Mal statt, damals noch in Zunsweier in Offenburg. Seit 2016 ist das beschauliche Altenheim in Neuried deutsche Ape-Hauptstadt – im wahrsten Sinne des Wortes: „Es gibt natürlich noch weitere Treffen, zum Beispiel in Bayern. In Deutschland ist das hier aber die bekannteste Veranstaltung. 2018 haben wir mit 104 Apes einen deutschlandweiten Rekord aufgestellt“, sagt Thorsten Briese.

Zum Ape-Treffen gehören traditionell eine gemeinsame Ausfahrt – 2024 geht es ins Elsass –, Benzin-Gespräche am Lagerfeuer und ein Wettbewerb im Geschicklichkeitsfahren. So mancher Bastler wird beim Gebrauchtteile-Markt schwach. Denn wer Ape fährt, besitzt meistens technische Kenntnisse und schraubt gern. Apeisten „pimpen“ ihre Dreiräder gerne auch mal mit einer Standheizung oder Zusatzscheinwerfern. „Jedem ist etwas anderes wichtig – kein Fahrzeug gleicht dem anderen“, sagt Thorsten Briese.

Die summende Vielfalt ist also grenzenlos: Manche Apeisten machen regelrechte Kunstwerke aus ihren Dreirädern – mit schicken Lackierungen, Aufklebern und Fahnen, welche Ursprung und Ziel der Fahrer zeigen. Einzelhändler nutzen die auffälligen Roller auch als Werbemittel. Apes gibt es in verschiedenen Ausführungen: Mit den kleineren Apes erreicht man Geschwindigkeiten von 40 Kilometern pro Stunde, mit den größeren sogar bis zu 65. Die größten Apes sind die kutschenartigen Calesinos, die mehr

Platz und Geräumigkeit bieten. Ein Besucher des Treffens namens Uwe fährt damit mit seiner Partnerin in den Urlaub: „Erst geht’s an den Bodensee, dann weiter an den Gardasee.“ Das Motto dabei: „Uns geht’s beim Fahren um Genuss. Der Weg ist das Ziel.“ Er ist nicht der Einzige, der die Strecken mit so viel Muße zurücklegt. Riccardo Biaggi aus Zürich zum Beispiel ist leidenschaftlicher Motorsportler – und besitzt nicht nur Apes, sondern auch Motorräder. Bei beidem gilt immer: „Entspanntes cruisen in der Gruppe ist für uns das Wichtigste.“

Die weiteste Strecke hat dieses Jahr ein Besucher aus Mönchengladbach zurückgelegt. Dass man dabei durchgehend auf der eigenen Achse fährt – Ehrensache für die Apeisten. Und wenn’s mal ruckelt? „Bei uns bleibt keiner lange liegen“, sagt Torsten Briese. „Der Zusammenhalt unter Apeisten ist sehr groß. Wenn’s hakt, hilft man sich so lange, bis man wieder auf den eigenen Rädern heimfährt.“

Als die bunte Truppe zu ihrer Tour startet, hakt zum Glück gar nichts. Die Parade der Dreiräder zuckert gemütlich und mit offenen Verdecks über die Ortenauer Landstraßen, vorbei an Feldern und Wäldern. Einige entspannen aber auch einfach nur auf dem Parkplatz – mit einem stärkenden Vesper vom Grill, das schon auf die Ankömmlinge wartet. Abends lässt man das Ape-Treffen gemeinsam ausklingen – gemütlich, wie’s die Bienen eben mögen.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 44 (3/2024)

Endlich ist draußen alles grün und das feiern wir in der neuen Ausgabe – mit neu interpretierten Spargelgerichten, knallroten Erdbeeren und den besten Rezepten für einen echten italienischen Aperitivo auf dem Balkon. Jetzt, wo die Urlaubssaison langsam losgeht, findet ihr bei uns jede Menge Ideen für Ausflüge und Abenteuer im Schwarzwald: vom Microcamping mit dem Camper Van auf außergewöhnlichen Spots über Fußballgolf bis hin zu Freilichtmuseen. Natürlich haben wir auch wieder spannende Persönlichkeiten aus der #heimat wie Zoodirektor Matthias Reinschmidt, den Offenburger Künstler Stefan Strumbel oder Europa-Park Sommelier Vincenzo De Biase für euch getroffen und ausgefragt.

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